Es wirkt auf den ersten Blick deplatziert. Ausgerechnet das europäische „Randland“ Schweden widmet sich einem Schicksalsjahr des 20. Jahrhunderts, und das in seinem Nationalmuseum. Aber das größte nordische Land war schon immer stark verknüpft mit dem „Kontinent“, also dem europäischen Festland, und der weiten Welt.
Noch bis 20. Januar 2020 zeigt das schwedische Nationalmuseum in Stockholm die Ausstellung „1989 – Kultur & Politik“. So viel Freiraum, wie der Titel zulässt, nimmt sich die Ausstellung auch. Es geht nämlich um weit mehr als nur Berlin. Eine Zeitleiste listet die Meilensteine des Jahres 1989 auf: Der erste Game Boy kommt auf den Markt, Ungarn öffnet die Grenze zu Österreich, die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen bilden eine Menschenkette, in Peking enden Studentenproteste in einem Massaker, das rumänische Präsidentenpaar Ceaușescu wird hingerichtet, in Südafrika endet die Apartheid und die Mauer fällt. Die Ausstellung, die überwiegend aus schwarz-weißen Fotografien besteht, ist in ein gutes Dutzend Stationen eingeteilt, die sich ein Ereignis nach dem anderen vornehmen und beweisen, dass wirklich so viel Bedeutendes in ein einziges Jahr passt. Und heute, drei Jahrzehnte nach den großen Umwälzungen, wenn wieder Mauern gebaut und extreme Parteien gewählt werden, ist es eine gute Idee, sich den langen Weg zur Freiheit noch einmal vor Augen zu führen.
Auf die politischen Themen folgt der Kulturteil, und spätestens hier kommt Nostalgie bei all jenen Besuchern auf, die das Ende der Achtziger miterlebt haben. Das Nationalmuseum wird seinem Beinamen „für Kunst, angewandte Kunst und Design“ gerecht, indem es die Ausstellung mit einem reichen Sammelsurium an Möbeln und Designobjekten abschließt. Es gelingt der Ausstellung, Ereignisse in einem Atemzug zu nennen, die aufgrund des zeitlichen und räumlichen Abstands in unserer Wahrnehmung längst auseinandergedriftet sind. Der Querschnitt durch Politik, Kultur und Gesellschaft hinterlässt dank seinem logischen, kompakten Aufbau bleibende Eindrücke.
visitsweden.com / nordlicht verlag
Foto: © Johan Fowelin / Nationalmuseum
Datum: 11.10.2019
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