Usedoms Küste entlang

Auf der Promenade ist Schieben angesagt (Foto: Rainer Höll) Auf der Promenade ist Schieben angesagt (Foto: Rainer Höll)

Nachdem der Plan schon lange in meinem Hinterkopf spukte, ließ ich ihm Ende August die Chance auf einen Vorderplatz: Eine Usedomer Küstenradtour von Nord nach Süd – und zurück.
Kurz entschlossen wurde der Wecker am Sonntag auf die gewöhnliche Zeit gestellt, und gegen 6 Uhr ging’s los.

Von meinem Wohn- und Startort Karlshagen aus verläuft der Radweg, aus Peenemünde kommend, in unterschiedlichem Abstand parallel zur Außenküste - bis zur polnischen Grenze.
Der voll besetzte Karlshagener Campingplatz „schläft“ um diese Zeit noch. Die Sonne schickt ihre ersten Strahlen auf die Birkenallee, die mitten durch den Kiefernwald verläuft, bis der Weg an der Trassenheider Promenade wieder die Düne erreicht. Bis Zinnowitz - die Sonne steigt allmählich höher - lassen mehrere Strandzugänge einen schnellen Blick auf das fast spiegelglatte Wasser zu.
Die Häuser der noch menschenleeren Zinnowitzer Promenade erstrahlen im roten Licht der Morgensonne. Bei Bade-Hochbetrieb, vor allem um den Zugang zur Seebrücke, ist für Radfahrer hier aber höchste Rücksichtnahme auf Fußgänger nötig, oft heißt es dort einfach: absteigen.

Mit dem Ende von Zinnowitz in Richtung Zempin beginnt übergangslos wieder der Küstenwald, der die erste kleine Steigung bereithält. Die gut ausgeschilderte Zempiner Promenade führt auch an der radlerfreundlichen Pension Dünenhaus vorbei, ehe es auf den gepflasterten Deich nach Koserow geht. Hier, an der engsten Stelle der Insel, sind es von der Ostsee zum Achterwasser nur etwa 300 Meter, die Platz bieten müssen für eine extra breite Düne, einen Waldstreifen, den Deich, die Bundesstraße 111, die Trasse der Usedomer Bäderbahn (UBB) und den kleinen Deich zum Achterwasser.

Mit dem Erreichen von Koserow wird der Küstenradweg bis Bansin zum durchgehenden Waldweg. Ich fahre durch Buchenwald am knapp 60 Meter hohen Streckelsberg vorbei, der zu einer Rast mit Aufstieg zum Aussichtspunkt einlädt. Die relativ kurze Strecke nach Kölpinsee mit ihren Auf- und Abfahrten gibt einen Vorgeschmack auf Kommendes. Neben dem Hotel „Seerose“ kann der Radler zwischen einem humanen Treppenabstieg mit Fahrrad-„Rinne“ oder einem Fahr-Umweg von 300 Metern wählen. Gleich im Anschluss gibt der Spiegel des Kölpinsees die morgendliche Ruhe wieder.

Der Campingplatz Stubbenfelde bildet den Auftakt für eine ungewöhnliche Strecke: 16 Prozent Gefälle erwartet hier im Norden kaum jemand - und die Gebirgler unter den Urlaubern fühlen sich wie zu Hause. Vorsichtshalber rät das Schild bei der Abfahrt zum Absteigen, für den Aufstieg ist es überflüssig.
Die Berg- und Talfahrt auf gut befestigtem Schotterweg durch dichten Mischwald dauert bis Ückeritz, wo der Radwanderer (fast) perfekt über den Strandvorplatz auf den Weg zum Campingplatz geleitet wird. Nun geht es mehrere Kilometer auf Asphalt und ohne Steigung weiter. Zur Rechten die Zelte, Ferienhäuser und Wohnwagen des Campingplatzes, links ein schmaler Waldstreifen direkt bis zum Strand, eine Düne fehlt hier. Vor einigen Zelten weisen die Tische noch Spuren eines lustigen Samstagabends auf…

Voller Spannung warte ich auf das Massiv des Langenbergs - und werde nicht enttäuscht. Der sehr gute Schotterweg hält sich in der Nähe der Küste, die aber nur zu erahnen ist. Ich fühle mich wie im Mittelgebirge, mit Hängen, Steigungen, Rastplatz. Ein Schild am Wegesrand weist zum Mümmelkensee, einem ehemaligen, jetzt verlandeten kleinen See. Der ebenfalls etwa 60 Meter hohe Langenberg ist meist mit Buchen bewachsen, eine Fahrt durch diese Landschaft erinnert an Vieles, nur nicht an eine Ostseeinsel mit naher Küste.
Linkerhand stehen Reste eines Ferienlagers im Wald, seit 15 Jahren nicht mehr genutzt, für mich aber eine Orientierung, denn nun ist es nicht mehr weit bis Bansin. Das letzte Stück über den Langenberg führt wieder über eine auch durch Kraftfahrzeuge genutzte Asphaltstraße – die Zufahrt zum Hotel Forsthaus Langenberg.

Allee in Ahlbeck (Foto: Rainer Höll)In Bansin schließlich beginnt die etwa acht Kilometer lange durchgehende Promenade über Heringsdorf nach Ahlbeck. Jüngst wurde der Radweg vom Fußgängerbereich strikt getrennt und zu großen Teilen asphaltiert, so dass es hier nicht mehr zu Irritationen kommen kann.
Die Promenade der jetzt unter dem Namen Seebad Heringsdorf vereinigten Gemeinde hat die Vielfalt früherer Gestaltung bewahrt und passt sich den unterschiedlichen Gegebenheiten an. Alleine der Kontrast von mondäner Bäderarchitektur mit dazwischen liegenden naturnahen Abschnitten ist ein Erlebnis für sich, das nicht im Eilzugtempo bewältigt werden sollte. Ein solches Tempo ist außerdem schon wegen des regen Verkehrs zu kaum einer Jahreszeit möglich.
Radfahrer und Fußgänger teilen sich wieder den letzten Abschnitt von Ahlbeck zur polnischen Grenze. Hier ist Platz genug für einen schon recht detailliert vorliegenden Plan: eine durchgehende Promenade bis ins polnische Swinemünde. Vorerst müssen die Radfahrer und Fußgänger in Richtung Polen vom Ende des Küstenweges über eine nicht sehr fahrradfreundliche Strecke etwa einen Kilometer bis zur B 111 und dem dortigen Grenzübergang, den ich nach knapp 40 Gesamtkilometern erreiche, fahren
.
Nach einer kleinen Stärkung geht es auf den Rückweg, diesmal aber entlang der B 111. Von der Grenze führt ein straßenbegleitender Fuß- und Radweg bis Ahlbeck. Den Ort selbst wie auch Heringsdorf kann ich mit dem Rad unerwartet problemlos passieren, denn die meisten Fußwege an der Bundesstraße sind für Radfahrer zugelassen. Am Ortsausgang von Heringsdorf in Richtung Bansin beginnt dann der Radweg entlang der B 111 bis nach Koserow.
Die Naturnähe des Hinwegs tausche ich gegen die glatte Asphaltfahrbahn des Rückwegs, die sich die Radfahrer mit Fußgängern und immer mehr Inline-Skatern teilen. Nach dem ersten Abschnitt am Südrand des Langenbergs verabschiede ich mich vorerst vom den Radweg begleitenden Wald, dem ich erst später wieder begegne. Zwischen Wald und dem Abzweig Schmollensee fällt der Blick über den See auf den Galgenberg bei Pudagla, der Interessierte zu einem kurzen Abstecher einlädt.

Der Radweg verläuft nun fast unmittelbar neben der Straße, zum Teil auch dicht an den Gleisen der UBB. Er ist aber durch Schutzgitter gut gesichert.
Die Umgebung von Ückeritz bietet dann nochmals einige „Unebenheiten“, wie Nicht-Flachländer das hügelige Profil bezeichnen würden. Zwischen Ückeritz und Stubbenfelde reicht der Blick links über die Wiesen zum Achterwasser.
Bei einem kleinen Foto-Stopp überholen mich drei polnische Radler, die ich in Koserow wiedertreffe. Bereitwillig beantworten sie meine neugierigen Fragen. Jan Kowalewski aus Swinemünde, seine Frau und sein Bruder sind auf einer Tour rund um die Insel. Sie wollen weiter bis Wolgast, über Lassan nach Anklam und dann über die südliche Inselzufahrt und die Stadt Usedom zurück, insgesamt etwa 130 Kilometer - natürlich an einem Tag. Es ist Teil ihres Trainings für einen Fahrradmarathon in Polen.

In Koserow treffe ich dann auf dem Deich wieder meine alte Route des Hinwegs. In Trassenheide weiche ich davon ab und wähle die kurze Strecke entlang der Düne bis Karlshagen. Sie ist mit Recht nicht als regionaler Radweg ausgewiesen, denn einige naturbelassene Abschnitte können als Teststrecke für Geländegängigkeit dienen - oder sind mit Schieben zu bewältigen. Radfahrern begegne ich jedenfalls zur Genüge, denn der Weg ist sehr abwechslungsreich.

Bei einer gemütlichen Tasse Kaffe lasse ich dann die Gesamtstrecke Revue passieren. Der Küstenradweg als Teil des Ostseeradfernwegs auf Usedom ist zum ganz überwiegenden Teil sehr gut befestigt, zu großen Teilen asphaltiert. Die Beschilderung lässt keine Missverständnisse zu. Radlerfreundliche gastronomische Angebote säumen den Weg, natürlich abhängig von der Besiedlungsdichte.
Doch am wichtigsten war das Erlebnis der vielfältigen Inselnatur. Küstenwald mit Dünen, hügeliger Mischwald abseits - wenn auch nicht weit entfernt - vom Badetrubel, Wiesen und Binnenseen, Deich und Berg. Meine Tour rund um die Küste bot fast alles, was die Natur auf Usedom aufzuweisen hat. Dazu kam die Atmosphäre der Badeorte wie in Zinnowitz und den „Kaiserbädern“.

Für einigermaßen geübte Freizeitradler ist zumindest eine Tour entlang der Küste in gemütlichem Tempo zu bewältigen. Die Rückfahrt kann dann auch mit der UBB erfolgen, deren Trasse immer in akzeptabler Nähe bleibt.
Die Touristiker der Insel wollen künftig die Möglichkeiten des Fahrradtourismus noch besser erschließen. Das beginnt mit entsprechenden Übernachtungsangeboten über den Ausbau eines durchgehenden Fahrradweges im Usedomer Achterland (Hinterland) bis zur Kombination von öffentlichen Verkehrsmitteln mit Fahrrad-Ausleihmöglichkeiten.
Als Fazit bleibt für mich: Wer Usedom nur mit dem Kraftfahrzeug erlebt, kann die Vielfalt der Insel nicht richtig kennen lernen. Der Radler sitzt nicht im Auto-„Kino“, sondern fährt seinen „Film“ selbst und tut dabei nicht nur seinen Augen etwas Gutes.

Rainer Höll

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