Kaum ein Begriff aus der deutschen Geschichte ist im Ausland so bekannt wie der Standort der Heeresversuchsanstalt der Wehrmacht im Norden der Ostseeinsel Usedom, von wo aus 1942 der erste erfolgreiche Start einer Rakete in den Weltraum erfolgte. Dahinter verblasst sogar der Landeort des Schwedenkönigs Gustavs II. Adolf mehr als 300 Jahre zuvor an gleicher Stelle, wo sein Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg begann.
Der erste erfolgreiche Raketenstart legte gleichzeitig den Grundstein für die gesamte militärische und zivile Raketenentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Tatsache, dass in Peenemünde jedoch Vernichtungswaffen entwickelt wurden, deren Produktion und Anwendung tausende Menschenleben kostete, ist immer noch Gegenstand von Diskussionen über die historische Rolle dieses Standorts an der Ostsee.
Unter diesem Titel ist im Historisch-Technischen Museum (HTM) Peenemünde noch bis zum 15. November 2015 eine Sonderausstellung zu sehen. Kummersdorf ist heute, im Gegensatz zu Peenemünde, kein bekannter Name, sondern ein vergessener Ort der deutschen Geschichte. Über den Schießplatz ist buchstäblich Gras gewachsen. Was dort passierte, ist kaum erforscht und nur schwer zu verstehen. Diese Ausstellung will als Spurensuche die beiden Orte in ihrer Verbindung zu Politik, Industrie, Militär und Wissenschaft beleuchten und darüber einige Fragen zur Geschichte der deutschen Rüstung aufwerfen. Diese Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Förderverein Historisch-Technisches Museum - Versuchsstelle Kummersdorf e.V. und wirft einen Blick auf den „Schießplatz“ Kummersdorf als Vorläufer von Peenemünde. Dort entstand 1875 das größte deutsche Erprobungszentrum für neue Waffen, und dort begann um 1930 das Großraketenprogramm. Im Verständnis der Bedeutung Kummersdorfs liegt der Schlüssel für das Verständnis des Systems Peenemünde.
In Kummersdorf trafen sich Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Militär. Kummersdorf war ein Ort, an dem sich ein militärisch-industriell-akademischer Komplex manifestierte, ein Ort moderner Rüstung, die den technischen Krieg vorbereitete. In der Entstehung des Raketenprogramms und seiner Ausweitung, die 1937 im Umzug des Projekts nach Peenemünde manifestiert wurde, erreichte die deutsche Rüstungsgeschichte eine neue Qualität. Peenemünde wurde in seiner strukturellen und strategischen Monstrosität zum Exponent des „Totalen Kriegs“.
Zu sehen sind originale Fundstücke der Erprobungen in Kummersdorf und Peenemünde sowie historische Darstellungen der Orte und des Arbeitens. Markante Zitate von Praktikern, Politikern und Strategen sollen Einblicke ins Denken der Akteure geben. Ergänzt werden diese Objekte und Dokumente durch aktuelle Bilder des Berliner Fotografen Lorenz Kienzle. Sie vermitteln die Vergessenheit, den Verfall, aber auch den Zauber des Kummersdorfer Geländes.
HTM / nordlicht verlag
Foto: © Lorenz Kienzle
Datum: 18.12.2014
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